Von 2004 bis zu seinem Tod 2017 im Alter von 93 Jahren war ich im regelmäßigen Austausch mit dem Berliner Sammler Wolfgang Haney, einem Überlebenden und Zeitzeugen des Holocaust, Numismatiker, Sammler von judenfeindlicher und antisemitischer Propaganda und Objekten zum nationalsozialistischen System der Ghettos und Konzentrationslager.
Als sogenannter „Halbjude“ verfolgt wurde er kurz nach Kriegsende mit nur 25 Jahren Stadtrat für Bau- und Wohnungswesen im Bezirk Charlottenburg, machte sich mit der Gründung einer Baufirma selbstständig und wurde schließlich Dienststellenleiter des Versorgungsunternehmens BEWAG.
Nach seiner Pensionierung begann er seine dritte und wohl eindrucksvollste Karriere als Sammler von antisemitischen Objekten, die eindrucksvoll den Alltag der jüdischen nachvollziehen ließen. Gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau, ebenfalls eine Überlebende des Holocaust mit jüdischen Wurzeln, besuchte er Schulen, um Jugendlichen als Zeitzeugen über das Schicksal ihrer Familien zu berichten. Haneys Vorträge und Ausstellungen führten ihn durch ganz Europa und nach Übersee.
Ich selbst war über vier Jahre für die Ausstellung „Abgestempelt. Antisemitische Postkarten“ verantwortlich und immer wieder beeindruckt vom ungewöhnlichen Lebensweg und dem ausserordentlichen Charakter Wolfgangs Haneys. Lange schon bestand und besteht der Plan eines Essayfilms über ihn und sein Leben; diese filmische Skizze hier wurde kurz vor dem Tod seiner geliebten Frau im Jahr 2006 aufgezeichnet.
Für 2023 bereite ich nun zunächst ein Porträt von Wolfang Haney als Hörstück vor, auf der Grundlage der mehr als 12 Stunden Interviewaufnahmen, die ich mit ihm zwischen 2007 und 2013 geführt habe.
Foto: Porträts Wolfgang Haney © Stefan Freund 2013