Über Signalstörung

Als Collage und Essayfilm ist SIGNALSTÖRUNG der Versuch, in Farbe, Form, Text und Musik eines außergewöhnlichen Menschen zu porträtieren, der sich vor dem Hintergrund einer tödlichen Erkrankung mit Erinnerung, dem Sterben und der Sexualität beschäftigt.

Im Jahr 1995 erkrankte mein langjährig bester und engster Freund an AIDS, unvermittelt und heftig. Die Krankheit veränderte ihn innerhalb weniger Wochen und er wurde auf die Station 68 eingeliefert, der damals bundesweit führenden Einrichtung für HIV und AIDS an der Frankfurter Uni-Klinik.

Dort begegnete ich bei meinen Besuchen zahlreichen Personen in unterschiedlichsten Stadien der Krankheit. Erschüttert vom Zustand meines Freundes, aber auch zutiefst ergriffen von der aussergewöhnlichen Menschlichkeit an diesem isolierten Ort, beschloss ich, diese Erfahrungen in einem Projekt einzubringen.

Zunächst sollte es eine Arbeit über die Station werden, dann über die Aspekte von AIDS. Dafür recherchierte ich zwei Jahre lang und arbeitete unter anderem bei der Telefonseelsorge der Frankfurter AIDS-Hilfe und besuchte Sterbende im Frankfurter Sterbehospitz.

Schließlich kam ich zu der Einsicht, dass diese Krankheit wie jedes Schicksal ebenso universell wie einmalig ist und mit meinen Mitteln und Ansprüchen in einer bloßen Dokumentation nicht darstellbar sein würde. Stattdessen erkannte ich, dass im Mittelpunkt einer Arbeit nur die Biografie des Freundes stehen kann, denn die Krankheit ist ein Teil davon.

Also begannen wir ausführliche Interview-Gespräche miteinander zu führen, welche die Grundlage für eine Textcollage wurden. Diese Collage wiederum war die Vorlage für den anstehenden Film und gewann als solche Ende 1996 den Hessischen Filmpreis für das beste Drehbuch. Der Preis verschaffte mir den Zugang zur Redaktion des Kleinen Fernsehspiels und dort zur damaligen Redakteurin Liane Jessen, die das Projekt dann nachhaltig beförderte.

Schließlich wurde der Film im Herbst 1997 auf Super-16 gedreht, bis Mitte 1998 geschnitten und als 35mm-Negativ für die Kinokopie umgesetzt. Dieses Format war wichtig, um die für damalige Zeiten höchsten und modernen Ansprüche in Farbe, Optik und Klang optimal umsetzen zu können.

Wesentliche Elemente des Films wurden von Jörg Simon (S-8 Stücke), Peter Dörfler (Kamera) und Bernd Schultheis (Musik) hergestellt.

Im November 1998 gewann der Film den Hessichen Filmpreis für beste Regie. Eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis war vorgesehen, konnte aber nicht ausgesprochen werden, weil der Film bereits vorab am 14.09.1998 im ZDF ausgestrahlt wurde.

Über die Titelgebung:

Per Lautsprecher entschuldigte der Zugführer eines ICEs einen technischen Ausfall und Stillstand des Zuges auf offener Strecke mit den Hinweis auf eine “Signalstörung”:

Während der Zug für eine ganze Weile nicht fahren konnte, drehten sich die gewohnten Verhältnisse gleichsam um. Stillstehend wurde der Zug zum unbewegten Teil einer Landschaft, die von den Reisenden ansonsten als vorbeiziehende erlebt werden würde, während die Passagiere selbst, die ansonsten eine Fahrt subjektiv als unbewegt erleben, nunmehr unruhig wurden, umherliefen, suchten. Diese Unruhe endete erst, als der Zug weiter fuhr, somit die gewohnte Ordnung wieder hergestellt worden war.

Auch der Film Signalstörung versetzt in einen solchen Moment der Unruhe, wo das Äußere und das Innere sich gleichsam umtauschen und jeder Bezug zur eigenen gewohnten Umgebung für 64 Minuten einem anderen Leben Platz macht.

Zum Film selbst:

Ein gesprochener Text fungiert gleichsam als Libretto. Stimmungen und innere Zustände werden durch tableauartig angeordnete Szenen, teils inszenierte, teils vorgefundene, vermittelt. Die auskomponierte Farbigkeit aller Filmsequenzen haben die entscheidende Funktion, den Bildern atmosphärische Dichte und emotionale Tiefe zu verleihen.

Der letzte Satz des Films “Tod, also es ist alles Quatsch und alles ganz anders” gab den Ausschlag, eine Filmmusik zu komponieren, wechselnde Energie- und Spannungspotentiale in ein Kontinuum verwandelt.

Das bestimmende Element des Films ist ein stetiges Fließen auf mehreren Zeitebenen, welches die Gedanken, die Sozialisation und schließlich die Veränderung der Wahrnehmung durch die Krankheit Aids der porträtierten Person in verschiedenen Lebensphasen symbolisiert.

So reflektiert der Film allegorisch das Moment des Erinnerns in Form einer Collage aus optischen wie akustischen Eindrücken und Stimmungen, die in ihrer Gesamtheit aus dem Fragmentarischen heraus einen intensiveren Eindruck dieses Menschen vermitteln, als es die bloße Darstellung von Sachverhältnissen vermag.

– Drehbuchförderung der Hessischen Filmförderung 1996
– Hessischer Drehbuchpreis 1996
– Produktionsförderung der Kulturellen Hessischen Filmförderung 1997
– Produktionsförderung der Kulturstiftung des Hessischen Rundfunks 1997
– In Zusammenarbeit mit Das Kleine Fernsehspiel, ZDF 1997
– Hessischer Filmpreis 1998